Ein Kurs in Krisenkommunikation für angehende Polizisten
6. März 2019
„Es gibt keine schlimmere Nachricht zu übermitteln, als die vom unnatürlichen Tod eines Angehörigen“, beschreibt Projektleiterin Kirsten Mahlke eine Situation, die letztlich jeden Bürger und jeden Polizeibeamten einmal treffen kann. Doch auf die Aufgabe, eine solche Nachricht zu überbringen, fühlen sich die wenigsten von ihnen angemessen vorbereitet. In der Ausbildung angehender Polizistinnen in Baden-Württemberg beispielsweise behandeln nur ein paar Sitzungen den Umgang mit den Angehörigen von Menschen, die durch einen plötzlichen Unfall oder auch ein Gewaltverbrechen aus dem Leben gerissen werden. Dabei kommen in Deutschland mehr als 30000 Menschen jährlich auf diese Weise zu Tode.
„Ziel unserer Lernanwendung ist es, Polizistinnen und Polizisten für die Bedürfnisse von Angehörigen in einer solchen Situation zu sensibilisieren und auf die Krisenkommunikation nicht nur beim Klingeln an der Haustür bestmöglich vorzubereiten.“
Ein Versagen an dieser Stelle, so die Wissenschaftlerin, kann für die Angehörigen schwerwiegende, traumatisierende Folgen nach sich ziehen.
Wie eine vom Opferschutz der Polizeibehörde in Kleve durchgeführte Untersuchung und die publik gewordenen Beschwerden von Angehörigen nach Großschadensereignissen gezeigt haben, handelt es sich nicht um bedauerliche Einzelfälle. Dass Probleme in dieser Art von Krisenkommunikation nicht behoben werden, hängt mit Arbeitsstrukturen, Gewohnheiten aber auch ungeprüften Vorannahmen in Polizeidienststellen zusammen. „Da eine polizeiinterne Qualitätskontrolle bislang nicht üblich ist, gehen Polizeibehörden oft davon aus, dass Todesnachrichten im eigenen Umfeld gut überbracht werden, so lange es keine Beschwerden von Seiten Angehöriger gibt. Doch beschweren sich traumatisierte Betroffene oft nur deshalb nicht, weil sie sich den Behörden gegenüber ohnmächtig fühlen“, gibt die Kulturwissenschaftlerin zu bedenken.
Sehr häufig begegnete sie in Gesprächen mit Polizisten auch der Meinung, dass Todesnachrichten zu überbringen eine eher psychosoziale Aufgabe sei, die von besonders empathiefähigen Beamten übernommen werden sollte. Dagegen wendet Mahlke ein: „Es handelt sich dabei um eine genuin polizeiliche Aufgabe, die ureigentliche Polizeiverantwortung berührt: Gefahrenabwehr, Opferschutz und Ermittlungsarbeit. Und das Rüstzeug für die verantwortungsvolle Krisenkommunikation ist durchaus erlernbar.“ Nicht nur beim Überbringen der Nachricht sondern auch in den Tagen danach geht es darum, den Angehörigen alle wichtigen Informationen zum Tod des Betroffenen mitzuteilen, ihnen Kontaktadressen für Nachfragen zu geben und sie über ihre Rechte aufzuklären. Außerdem kann allein die Polizei eine Türöffnerfunktion gegenüber Staatsanwaltschaft oder Gerichtsmedizin wahrnehmen, wenn beispielsweise die Angehörigen den Verstorbenen noch einmal sehen wollen, um Abschied von ihm zu nehmen.
Die elektronische Lernanwendung wurde in Kooperation mit dem Opferschutz der Polizeibehörde in Kleve, der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung und Polizei in Duisburg, der Polizei in Stuttgart sowie der Abteilung Technik Service und Logistik der Polizei Freiburg entwickelt. Sie verzahnt Lerneinheiten für den Präsenzunterricht im Rahmen der Aus-oder Weiterbildung mit Informationen und Checklisten, die jederzeit elektronisch abgerufen werden können. So bietet sie Know-how, das leicht zugänglich und in überschaubarer Zeit zu erlernen ist. „Wir freuen uns, dass die Lernanwendung in Baden-Württemberg eingeführt werden wird. Nun wollen wir sie auch an die entsprechenden Bedürfnisse in anderen Bundesländern anpassen“, erklärt Kirsten Mahlke. „Von der Berliner Landespolizei sind wir bereits eingeladen, den Blended-Learning-Kurs vorzustellen.“