Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Korruption

Ein internationales Phänomen mit gesellschaftlicher Sprengkraft

von Verena Meckel und Claudia Marion Voigtmann

Was ist eigentlich Korruption und welche Bilder ruft der Begriff in uns hervor? Mit diesen Fragen eröffnete Mirco Göpfert, Ethnologe am Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“, das Foyer Forschung „Korruption. Karriere eines Phänomens“.

Mirco Göpfert
Mirco Göpfert
Jens Ivo Engels
Jens Ivo Engels

Die Karriere der Korruption

Was verstanden die Menschen zu verschiedenen Epochen unter Korruption? Und weshalb entfacht ein Korruptionsvorwurf, wie im Falle Christian Wulffs, so heftige öffentliche Empörung?

Der allgemeine Vorwurf gegen Wulff lautete, er habe Vorteile des politischen Amtes für private Interessen genutzt. „Es ging daher auch nicht darum, dass Einfluss auf seine politischen Entscheidungen während seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Niedersachsen genommen worden wäre,“ betont Historiker Jens Ivo Engels. „Korruption ist dennoch einer der schwersten Vorwürfe, der einem Politiker gemacht werden kann. Dieser Fehler ist in den Augen der Öffentlichkeit kaum wieder gutzumachen.“

Die moderne Auffassung von Korruption, ein öffentliches Amt zu privatem Nutzen zu missbrauchen, führt Engels auf die Zeit nach der Französischen Revolution zurück. Damals wurde erstmals eine Grenze zwischen einer privaten Sphäre und dem öffentlichen Amt gezogen: Staatsdiener wurden auf das Gemeinwohl verpflichtet. „Auch wenn Korruption schon seit der Antike bekannt war, ab 1800 definiert der Korruptionsbegriff ex negativo wesentliche Merkmale moderner Staatlichkeit,“ erklärte Engels und gab einen Überblick darüber, wie Korruption in Folge definiert wurde: vom Kampf gegen die „alte Korruption“, einem Schlagwort zu Beginn des 19. Jahrhunderts, über scharfe Kritik an Korruption in Parlamenten bis zur Internationalisierung der Debatte in den 1990er Jahren. Diese führte zu einer Reihe von internationalen Antikorruptionsvereinbarungen, wie der United Nations Convention against Corruption (UNCAC) im Jahre 2003.

Elisa Hoven
Elisa Hoven

Fortschritt durch Internationalisierung?

Dabei unterzeichnete Deutschland – ähnlich wie Nordkorea, Somalia, Syrien, Eritrea und Japan – die UN-Konvention lange nicht. Damit das Abkommen 2014 auch hierzulande in Kraft treten konnte, musste das deutsche Strafrecht entsprechend angepasst werden – laut Elisa Hoven ein Schritt in die richtige Richtung. Die Juristin erläuterte dies am Beispiel der Abgeordnetenbestechung:

„Zuvor waren die Tatbestände sehr eng gefasst. Wenn beispielsweise ein Bauunternehmer einem Abgeordneten mehrere Tausend Euro zusteckte mit der Bitte, ein Anliegen seines Unternehmens in der Fraktion zu unterstützen, war dies vor 2014 nicht strafbar.“

Ein anderes Beispiel: Bis 1998 war die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Wettbewerb nicht nur gebräuchlich sondern aus Sicht des deutschen Rechts auch legal. Erst auf internationalen Druck und auf Betreiben der OECD hin wurde 1999 eine Konvention erlassen, die die Bestechung ausländischer Amtsträger strafbar macht.

„Da sämtliche Mitgliedsstaaten der OECD diese Konvention unterzeichnet haben, bietet sie die Chance, Korruption im internationalen Geschäftsverkehr (wirksam?) zu bekämpfen,“ erklärt die Juristin. „Nützliche Aufwendungen, also Bestechungen, sind auf dem internationalen Markt jahrelang normal gewesen und in vielen wirtschaftlich schwächeren Ländern nach wie vor gang und gäbe.“

Doch gibt sie zu bedenken, dass Gesetze zwar von heute auf morgen geändert werden können, die praktische Umsetzung aber deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Wie kann der internationale Wettbewerb fair bleiben, wenn die Richtlinien der Konvention in einigen Ländern nur auf dem Papier stehen, praktisch aber nicht umgesetzt werden? Und haben damit Länder, welche die Konvention besonders gut umsetzen, nicht einen Wettbewerbsnachteil?

Diese Fragen leiteten über zur Diskussion, an der sich auch das Publikum lebhaft beteiligte. Erneut zeigte sich, dass die öffentliche Meinung darüber, was eine korrupte Handlung ist, und der tatsächliche Straftatbestand der „Korruption“ auseinandergehen. So ist umstritten, ob die Korruptionsaffäre der FIFA überhaupt als Bestechung nach deutschem Recht strafbar wäre.

Foyer Forschung

Die Diskussionsveranstaltung am 14. Januar 2016 bildete den Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Foyer Forschung“, in der Wissenschaftler/innen und Öffentlichkeit über brisante Themen diskutieren.

Im Foyer der Spiegelhalle des Konstanzer Stadttheaters sprachen der Historiker Jens Ivo Engels von der TU Darmstadt und die Rechtswissenschaftlerin Elisa Hoven von der Universität zu Köln. Der Ethnologe Mirco Göpfert von der Universität Konstanz moderierte den Abend.

Die Reihe wird am 21. April 2016 mit einer Diskussion über Abschiebung fortgesetzt.