Universität KonstanzExzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“

Frühe Forschung am Ungeborenen

Caroline Arni

Die Historikerin Caroline Arni (Basel) beleuchtet in ihrem Vortrag Konzepte des Ungeborenen in der Physiologie, Medizin und Psychologie vom Ende des 18. bis zum frühen 20 Jahrhundert. Mitschnitt vom Eröffnungsvortrag am Kulturwissenschaftlichen Kolleg Konstanz

Caroline Arni: Un/Geboren. Eine historische Anthropologie der Entwicklungswissenschaften. 22. Oktober 2015, 44:35 min.

In der zeitgenössischen Forschung, argumentiert sie, wurde das Ungeborene definiert durch Entwicklung: Vor allem seine Zeitlichkeit definierte damit die Entität des Ungeborenen. Damalige Wissenschaftler fragten sich, Inwieweit das vorgeburtliche Geschehen dasjenige prägt, was nach der Geburt geschieht. Im 19. Jahrhundert wird z.B. die Frage der pränatalen Prägung gedacht als Mechanismus der generationellen Übertragung: Wie beeinflussen die Gefühle, Träume und Mentales das prospektive Kind?

Arni interessiert dabei, wie seinerzeit welches Wissen über das Ungeborene generiert wurde im Sinne einer Wissensepistemologie. Inwieweit ist diese Wissensproduktion aber auch ontologische Praxis? Denn die Forscher produzierten nicht nur wissenschaftliches Wissen, sondern verfertigten auch eigenen Entitäten.
Sie beleuchtet die Forschungspraxis von Physiologen und Psychologen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert Föten und Neugeborene beobachteten und mit ihnen experimentierten. Ihr überraschender Eindruck: Es war eine riesige Forschungsanstrengung im Gange, die eigentlich nichts herausfand bzw. um etwas kreiste, das sich nicht als Wissen gewinnen ließ.

Prof. Dr. Caroline Arni lehrt an der Universität Basel Allgemeine Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Von September 2015 bis August 2016 forscht sie als Fellow des Kulturwissenschaftlichen Kollegs Konstanz über „Pränatalität. Eine Wissensgeschichte des Ungeborenen in der Moderne”.